Fortsetzung Rede 1
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Dieser Normalzustand ist sowohl für Pflegekräfte als auch für Gepflegte eine Katastrophe.
Pflegekräfte müssen bei schlechter Bezahlung im kontinuierlichen Stress harte Arbeit leisten und gehen an den Arbeitsbedingungen kaputt.
Für Gepflegte bleibt wenig Privatsphäre im Alltag, da wegen der Zeitknappheit nicht ihre Bedürfnisse berücksichtigt werden können – und es gibt eine Bedrohung durch mangelnde Hygiene, weil durch die Zeitknappheit für Pflegekräfte oftmals eine notwendige Hygieneeinhaltung erschwert ist bzw. nicht genug umsetzbar ist.
Ich habe in einem Pflegeheim zum Beispiel die Erfahrung gemacht, dass wir in der Spätschicht zu zweit für 40 Bewohner*innen zuständig waren, und das in jeder Spätschicht.
Es ist in so einem knappen Zeitrahmen gar nicht möglich, dass Heimbewohner*innen selbstbestimmt leben können.
Es gibt Heime, in denen Pflegekräfte 12 Tage am Stück arbeiten, um dann nach 2 Tagen Pause wieder einen langen Arbeitsblock absolvieren zu müssen.
Eine Erschöpfung bei den Pflegenden kann sich somit bis hin zum Vollbild eines Erschöpfungssyndroms entwickeln, das passiert oft.
Wegen der geringen Löhne müssen Fachkräfte und Pflegehelfer*innen oftmals in Vollzeit arbeiten, um finanziell über die Runden zu kommen. Viele von ihnen arbeiten wegen der körperlichen Erschöpfung nur wenige Jahre in ihrem Beruf, obwohl sie ihre Tätigkeit an sich gerne mögen.
Es gibt viele idealistische Pflegekräfte, die von der Sinnhaftigkeit und dem sozialen Charakter ihrer Arbeit überzeugt sind und Gutes tun wollen. Die Pflegeeinrichtungen sind jedoch durch hierarchische Strukturen geprägt, die sich auf allen Ebenen auswirken, auch zwischen den Pflegefachkräften und den Pflegehelfer*innen. Ein Gefühl der fehlenden Anerkennung breitet sich aus. Viele Pflegekräfte haben keinen oder nur geringen Einfluss auf die Gestaltung ihrer Dienstpläne, weil in der Pflege – so, wie in der Gesamtgesellschaft – keine basisdemokratische Strukturen vorhanden sind.
Häufig sind Pflegekräfte im anstrengenden Berufsalltag krank gemeldet, sodass andere Pflegekräfte des jeweiligen Pflegeteams einspringen müssen. Sie werden dann in ihrer Freizeit angerufen und müssen immer erreichbar sein. Das führt dazu, dass im Alltag einer Pflegekraft verlässliche Planung und Gestaltung des Privatlebens schwierig werden. Vor allem Pflegekräfte, die Kinder haben, geraten in Schwierigkeiten. Das halten viele nicht lange aus, über Jahre gerechnet.
In der ambulanten Altenpflege wird zwar mehr als in Pflegeheimen versucht, den Patient*innen Selbstbestimmung zu ermöglichen, aber auch hier sind die Einsatzzeiten oft knapp, und der Druck ist groß, in der Konkurrenz als Pflegedienst bestehen zu müssen.
Doch es ginge auch ganz anders:
Es müsste ein viel höherer Schlüssel für Pflegekräfte umgesetzt werden, viel mehr Pflegekräfte pro Schicht und, solange es Lohnarbeit als gesellschaftliches Verhältnis gibt eine viel bessere Bezahlung!
Pflegeheime, Pflegedienste und Krankenhäuser könnten zum Beispiel als Gemeineigentum selbstverwaltet und dezentralisiert sein, in den jeweiligen Stadtteilen verankert.
Sie könnten zum Beispiel mit einer Rätestruktur aufgebaut sein:
Es gäbe dann zum Beispiel die basisdemokratisch organisierten Räte der Bewohner*innen und Patient*innen, die ihre Bedürfnisse artikulieren und den Alltag mitgestalten – so gut wie möglich, und mit besonderer Unterstützung für demente Bewohner*innen. Die ebenfalls basisdemokratisch organisierten Räte der Pflegekräfte und die Räte einer Verwaltungsstruktur könnten ihre Arbeit mit den Räten der Bewohner*innen und Patient*innen koordinieren, so gleichberechtigt wie möglich.
Dieses Konzept wäre allerdings nur umsetzbar, wenn die Pflegeheime, Krankenhäuser und die Pflegedienste nicht kapitalistisch, sondern gesamtgesellschaftlich organisiert wären.
Zu diesem Zweck wäre die Vergesellschaftung der Eigentumsstruktur vonnöten.
Damit wäre das Ziel der Arbeit von Pflegeheimen, Pflegediensten und Krankenhäusern nicht die Maximierung von Profit in Konkurrenz zueinander, sondern das Wohl aller in Zusammenarbeit aller miteinander.
Mein anzustrebendes Ideal wäre eine kooperative und selbstverwaltete Ökonomie, die in dezentralen, gut vernetzten und miteinander verbundenen Einheiten organisiert ist, welche nicht gegen-, sondern miteinander arbeiten.
Auf diese Weise könnten die Pflege und die Arbeitsbedingungen für alle Beteiligten ihren wirklichen Bedürfnissen entsprechend zufriedenstellend organisiert werden. Anstelle von Profitmaximierung für Kapitaleigner*innen gäbe es also eine gesamtgesellschaftliche Planung und Kooperation, die nicht zentralistisch von oben verordnet ist, sondern von der Basis ausgeht und auf Gemeineigentum, Basisdemokratie und sozialer Gleichberechtigung aller gründet.
Nicht vergessen werden darf, dass im Pflegebereich die Arbeit immer noch mehrheitlich von weiblich gelesenen Menschen durchgeführt wird. Weiblich gelesene Menschen finden oftmals schwerer Jobs und sind oft auf Pflegeberufe angewiesen.
Dadurch werden patriarchale Geschlechterstereotypien reproduziert.
Es müssten meiner Meinung nach auch über eine Reduktion der Lohndifferenzen hinaus die Care- und Pflegearbeit gesellschaftlich auf der Basis von Gleichberechtigung organisiert sein.
Auch viele Menschen mit Migrationshintergrund werden immer noch bei der Jobsuche diskriminiert und haben erschwerte Bedingungen, sich beruflich fortzubilden.
Auch hier müsste eine Gleichberechtigung aller erkämpft werden.
All das wäre natürlich nur durch eine kämpferische Organisierung von Pflegekräften erreichbar, zum Beispiel in Basis-Gewerkschaften.
Von der herrschenden Politik ist nichts zu erwarten, da sollten wir uns keine Illusionen machen!
Wir kriegen nur, wofür wir kämpfen.
Es muss Alles ganz anders werden, damit es besser wird. Daher brauchen wir eine Care-Revolution! Und zwar so schnell wie möglich.
Ein Anfang einer Vernetzung von Pflegenden könnte ein Pflegeblock auf dieser Demo sein.
Organisiert Euch und reiht Euch ein! Danke für Euer Zuhören.